Mit der Entscheidung 3Ob36/22y klärte der Oberste Gerichtshof entscheidende Fragen im Zusammenhang mit der Handhabe von Mietverhältnissen während der COVID-19 Pandemie und setzt somit seine Rechtsprechung in diesem Bereich fort. Eine kurze Übersicht der wichtigsten Erkenntnisse:
Der Sachverhalt
Der dem Urteil zugrunde liegende Fall betraf ein Bäckerei-Café in einem Fachmarktzentrum, welches während zweier Lockdowns seinen gesamten Betrieb einstellte, obwohl der reine Bäckereibetrieb weiterhin erlaubt gewesen wäre und in der Folge während dieser Zeiträume keine Miete zahlte.
Die Klägerin, die Vermieterin der Geschäftsräumlichkeiten, begehrte sowohl den ausstehenden Mietzins für die fraglichen Monate als auch die Zahlung einer Konventionalstrafe wegen Verletzung der Betriebspflicht.
Unbenutzbarkeit des Betriebsobjekts
Schon in vorangegangen Entscheidungen hat der OGH judiziert, dass es sich bei COVID-19 und den damit in Zusammenhang stehenden behördlichen Maßnahmen um einen außerordentlich Zufall iSd §1004f ABGB handelt, der kein vom Bestandnehmer zu tragendes „allgemeines Lebensrisiko“ darstellt.
Die beklagte Partei betrieb in dem gegenständlichen Mietobjekt vereinbarungsgemäß ein Bäckerei-Café. Es bestand demnach die Möglichkeit sowohl Backwaren und Getränke zu erwerben als auch diese vor Ort zu konsumieren. Aufgrund des Standorts des Fachmarktzentrums in einem Gewerbegebiet und des dadurch bedingten Mangels an Laufkundschaft, war es beiden Parteien klar, dass der Umsatz in der dortigen Filiale vorrangig aus dem Kaffeehausbetrieb lukriert werden würde.
Aufgrund der strengen Covid-19 Maßnahmen musste die Mieterin den Kaffeehausbetrieb während zweier Lockdowns entsprechend der gesetzlichen Vorgaben schließen. Da der Backwarenverkauf allein wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen wäre, wurde die Filiale für den Zeitraum der Maßnahmen geschlossen. Die Ansicht des Vermieters, dass ein Lieferservice, To Go-Angebot oder Bäckereibetrieb weiterhin stattfinden hätten können, und dementsprechend das Betriebslokal weiterhin (zumindest teilweise) benutzbar gewesen wäre, teilten weder die Unterinstanzen noch der OGH.
Ob ein Geschäftslokal benutzbar ist, ist anhand des vertraglich Vereinbarten zu ermitteln. Der OGH stellte fest, dass sofern der bedungene Gebrauch des Mietobjekts durch Kundenverkehr gekennzeichnet ist, ein Betretungsverbot anlässlich der COVID-19 Pandemie zur gänzlichen Unbenutzbarkeit führen muss. Die Unbenutzbarkeit bzw. Unbrauchbarkeit des Bestandsobjekts ist anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen. Auch wenn die Möglichkeit eines To Go-Systems oder Liefer- oder Abholservices besteht, kann der Mieter einwenden, dass ihm dies nicht zumutbar sei. Eine solche Unzumutbarkeit liegt insbesondere dann vor, wenn dies ein wirtschaftliches Verlustgeschäft bedeutet hätte. Mit dieser Entscheidung räumte der OGH der wirtschaftlichen Zumutbarkeit Vorrang gegenüber der rein rechtlichen Erlaubtheit des Betriebs ein.
Keine Verletzung der Betriebspflicht
Im Mietvertrag vereinbarten die Parteien eine Betriebspflicht, bei deren Verletzung eine Konventionalstrafe in der Höhe von drei Monatsmieten anfallen würde. Schon die Vorinstanzen haben eine solche Verletzung verneint, da der Mieterin der Betrieb des Kaffeehauses, also eines Gastronomiebetriebes aufgrund der gesetzlichen Maßnahmen für die fragliche Zeit untersagt war, und somit kein Betrieb möglich war.
Kein Anspruch des Vermieters auf Fixkostenzuschuss
Wie schon in vorangegangenen Urteilen sprach der OGH in diesem Urteil aus, dass der Vermieter keinen Anspruch, auf den von staatlicher Seite an Betriebe gewährten Fixkostenzuschuss hat. Der Mieter ist nicht dazu verpflichtet, diesen an den Vermieter herauszugeben. Dies wird damit begründet, dass es sich bei dem Zuschuss um eine Förderung der betroffenen Unternehmer handelt, der deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ankurbeln und Liquidität sicherstellen soll. Es entspricht nicht dem Zweck des Zuschusses, einen etwaigen Mietzinsentfall des Vermieters wettzumachen.
Kein grobes Verschulden des Mieters
Weiters stellte der OGH fest, dass für die Frage, ob den Mieter am Mietrückstand ein grobes Verschulden trifft, von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Aufgrund der über Monate hinweg ungeklärten Sach- und Rechtslage erkannte der OGH für die verspätete Zahlung einzelner Beträge für das Jahr 2020 im konkreten Fall kein grobes Verschulden der Mieterin.
Sollten Sie Fragen zum Miet- und Immobilienrecht haben, steht Ihnen das Team von HSP.law jederzeit gerne zur Verfügung!